Interview mit Dr. Peter Mohr, Präsident des 31. Deutschen Hautkrebskongresses 8. – 11.9.2021

Methoden der Erkennung und Behandlung von Hautkrebs werden immer besser – Pandemie brachte jedoch Verschlechterung der Hautkrebssituation mit sich

Hamburg. Der 31. Deutsche Hautkrebskongress der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO), der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft findet vom 8. bis 11. September 2021 hybrid statt. Ein Großteil der wissenschaftlichen Sitzungen wird aus Studios in Hamburg gestreamt, so dass mit den Live-Präsentationen und -Diskussionen die Teilnehmer am PC auch einen Hauch Hamburger Flair mitbekommen. Tagungspräsident Dr. Peter Mohr , Facharzt für Dermatologie, Venerologie, Medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin und Chefarzt des Tumorzentrums der Elbe- Kliniken Stade-Buxtehude, gibt erste Einblicke in das umfangreiche Programm mit neuesten dermato- onkologischen Studien zu Diagnostik und Therapie, aber auch zur Prävention von Hautkrebs.

Der schwarze Hautkrebs, das Melanom, gilt als die fünfthäufigste Krebserkrankung überhaupt. Welche neuen Erkenntnisse gibt es auf dem Gebiet der Erkennung und Behandlung des Hautkrebses?

Ja, das Melanom ist die fünfthäufigste Krebserkrankung des Menschen, wohingegen das Melanom und andere Hautkrebsformen wie das Basalzellkarzinom, das Plattenepithelkarzinom und das Melanom die mit Abstand häufigste Krebserkrankung des Menschen ist. Bei der Erkennung von Hautkrebs werden zur Zeit die größten Fortschritte mit komplexen Kamerasystemen und der Anwendung von künstlicher Intelligenz gemacht. Diese neuen Systeme, die an 100.000 verschiedenen Hautveränderungen trainiert werden, sind in ihrer Diagnose inzwischen den meisten Dermatologen überlegen oder zumindest ebenbürtig. Sie werden in der Zukunft die Diagnose des Dermatologen nicht ersetzen, jedoch ein wichtiges zusätzliches Instrument darstellen. Die ersten dieser komplexen Diagnosesysteme sind bereits auf dem Markt, aber natürlich sehr kostenintensiv. Diese Leistungen werden derzeit nicht von den Krankenkassen übernommen. Bei der Behandlung der verschiedenen Hautkrebsarten inklusive des Basalzellkarzinoms und des Merkelzellkarzinoms sind die größten Fortschritte bei der immunologischen Behandlung der fortgeschrittenen Hautkrebserkrankungen zu sehen. Jüngst wurde ein PD- 1 - Inhibitor ebenfalls für das metastasierte und inoperable Basalzellkarzinom zugelassen, das nicht auf einen Hedgehog-Inhibitor angesprochen hat. Ein PD- 1 - Inhibitor führt zu einer erhöhten Aktivität des Immunsystems und damit auch häufig gegen das Tumorgewebe. Die Langzeitergebnisse für die adjuvante Therapie des Melanoms, aber auch die Therapie des fortgeschrittenen Melanoms, sind sehr gut, so dass wir einen größeren Anteil der Patienten heilen oder in ein Langzeit-Überleben führen können.

Welche neuen Ergebnisse bringt die Grundlagenforschung?

Trotz aller Fortschritte in Diagnostik und Therapie gibt es noch immer viele Menschen, die an einem metastasierten Hautkrebs versterben, dazu werden bei der Grundlagenforschung in erster Linie die primären und sekundären Resistenzmechanismen erforscht. Auch auf diesem Gebiet gibt es einen weiteren Fortschritt. Kürzlich konnte in einer Phase- 3 - Studie gezeigt werden, dass die Kombination zweier abgestimmter Wirkstoffe, anti-PD-1 und anti-LAG-3, das progressionsfreie Überleben signifikant verlängert. Aber auch andere neue Substanzkombinationen sind in der klinischen Erprobung.

Welche Auswirkungen hat die Klima-Veränderung auf die Häufigkeit und Intensität von Hautkrebs?

Insgesamt gibt es dazu keine klaren epidemiologischen Forschungsergebnisse. Wir wissen, dass sich der Anstieg der Hautkrebserkrankungen in der westlichen Welt vor allem durch das veränderte Verhalten gegenüber der UV-Strahlung in den letzten 50 Jahren sowie durch das Erreichen eines höheren Lebensalters erklärt. In den 80er und 90er Jahren hatten wir bereits eine verstärkte UV-Strahlung durch sogenannte Ozonlöcher in der nördlichen und südlichen Hemisphäre zu verzeichnen. Zu bestimmten Zeitpunkten war die UV-Strahlung um 20 bis 50 Prozent höher als noch vor 80 Jahren. Hinzu kommt das veränderte Reiseverhalten von hellhäutigen Menschen, die im Sommer in den schönen warmen Süden fahren und dort der UV-Strahlung mehr ausgesetzt sind. Wie sich dieser Trend fortsetzt, ist bis jetzt noch unklar. Es gibt ein deutlich divergentes Verhalten gegenüber der UV-Strahlung. Einige Bevölkerungsgruppen schützen sich sehr vor der Sonnenstrahlung, während andere dies nicht tun.

Welche medizinischen Fachdisziplinen sind an der Erkennung und Behandlung beteiligt? Gibt es neue Verfahren in der Behandlung? Welche?

Die Behandlung von Hautkrebs ist zu einer interdisziplinären Aufgabe geworden. Bei der Diagnostik von Hautkrebs sind im Rahmen des Hautkrebsscreenings Hausärzte und Dermatologen beteiligt. Bei der weiteren Diagnostik und Behandlung arbeiten wir mit Radiologen, den dermatologischen Chirurgen und teilweise plastischen Chirurgen oder Hals-Nasen-Ohren-Ärzten zusammen. Und im Tumorboard der Hautkrebszentren werden interdisziplinär zusätzlich Strahlentherapeuten und Onkologen in die weitere Diagnose und Therapie einbezogen. Technisch haben sich die radiologischen Behandlungsverfahren deutlich verfeinert. Hinzu kommen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, die inzwischen relativ rasch in Ansätze für neue Therapieverfahren umgewandelt werden. Und es besteht nahezu ein echter Wettlauf der verschiedenen neuen Kombinationstherapien, um gegebenenfalls ihre Wirksamkeit zu beweisen und eine Zulassung zu erreichen. Dazu kommen Lokalverfahren wie die Einspritzung von genetisch veränderten Viren oder eine Elektrochemotherapie für lokalmetastasierte Hautkrebserkrankungen wie das maligne Melanom oder das Plattenepithelkarzinom.

Wie werden Vorsorgeuntersuchungen wie etwa das regelmäßige Hautscreening von den Patienten angenommen? Reichen die Angebote der Krankenkassen? Die Kassen zahlen ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre ein Hautscreening, ist dieser Zeitraum angemessen?

Bei den Vorsorgeuntersuchungen wie dem Hautkrebsscreening haben wir durch die Corona-Pandemie einen deutlichen Einbruch erlitten. So sind im Frühjahr vergangenen Jahres teilweise bis zu 50 Prozent weniger Patienten zum Hautkrebsscreening gekommen. Auch in den Monaten danach bis zum Oktober 2020 haben wir nicht das Vorjahresniveau beim Hautkrebsscreening erreicht. Zahlen aus den letzten Monaten liegen mir dazu noch nicht vor, aber sowohl bei den niedergelassenen Dermatologen als auch in der Klinik haben wir 2020 im Schnitt deutlich dickere Melanome gesehen als noch im Jahre 2019. Momentan müssen wir davon ausgehen, dass dadurch auch eine Verschlechterung der Situation insgesamt entstanden ist. Ansonsten ist das von den Krankenkassen bezahlte Hautkrebsscreening prinzipiell ausreichend, jedoch wird es nur von etwa 30 Prozent der Bevölkerung wahrgenommen. Hier müssten wir eine deutliche Steigerungsrate anstreben. Ein weiterer Punkt sind Risikogruppen mit einer erhöhten Hautkrebsinzidenz wie z.B. extrem sonnenempfindliche Menschen, aber auch die mit sehr vielen Muttermalen oder einem Melanom in der Familie. Für diese Bevölkerungsgruppe müssten wir eigentlich ein Risikogruppen-Screening entwickeln.

Wer ist besonders gefährdet? Wie sollte man sich verstärkt vor der Sonne schützen, um dem Hautkrebs vorzubeugen? Wie bekommt man trotzdem genügend Vitamin D? Und welche Rolle spielt die Ernährung?

Die effektivste Möglichkeit, einem Hautkrebs vorzubeugen, besteht immer noch in dem Schutz vor dem Hauptauslöser, nämlich der UV-Energie von der Sonne. Insbesondere Kinder müssten deutlich stärker und besser vor der Sonne geschützt werden. Ein zweiter wichtiger Punkt ist der Schutz der im Freien arbeitenden Bevölkerung. Seitdem das Plattenepithelkarzinom oder aber auch die multiplen aktinischen Keratosen zu Berufserkrankungen geworden sind, sind Arbeitgeber und Berufsgenossenschaften in der Prävention erheblich gefordert. Eine solche Verhaltensänderung der im Freien arbeitenden Menschen lässt sich aber nicht von einem auf den anderen Tag bewirken. In erster Linie muss hier natürlich an den textilen Hautschutz gedacht werden, aber für die Körperregionen, die mit Kleidung nicht zu schützen sind, müssen Sonnenschutzmittel zur Verfügung gestellt und regelmäßig neu aufgetragen werden. Ein sehr beachtetes Thema ist hierbei die Frage des Vitamin-D-Haushaltes. In der Regel reichen drei bis vier Besonnungen oder Belichtungen für je etwa 10 Minuten am Tag an Händen und im Gesicht aus. Es gibt jedoch Menschen, die damit eine verminderte Vitamin-D-Produktion haben, aber es ist relativ einfach, ein Defizit mit der Ernährung, wie beispielsweise mit Fisch, oder einer Vitamin-D-Substitution auszugleichen. Im Bereich des gesamten Komplexes um Ultraviolettes Licht hat sich in den letzten Jahren ein immer größer werdendes UV- Schutzbündnis gebildet, das vom Bundesamt für Strahlenschutz koordiniert wird. Von ihm gehen sehr wertvolle Leitlinien aus. Darüber hinaus gibt es eine Präventionsleitlinie, die ebenfalls interdisziplinär erarbeitet worden ist und sehr hilfreich erscheint.

Welche Besonderheiten hat das hybride Format des Kongresses für die Teilnehmer?

Nachdem wir im letzten Jahr leider innerhalb von kurzer Zeit von einem Präsenzmeeting in Nürnberg auf einen reinen Online-Kongress umstellen mussten, haben wir in diesem Jahr einen exzellent vorbereiteten Hybrid-Kongress von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie organisiert. Wir können uns nach den bisherigen Vorgaben des Hamburger Senats vor Ort mit allen Wissenschaftlern und Ärzten, die Hauptvorträge eingereicht haben, und den Leiterinnen und Leitern der einzelnen Symposien und Sitzungen treffen. Hierdurch gibt es jetzt die Möglichkeit, auch direkt miteinander zu diskutieren und wir hoffen sehr, dass der Funke der direkten Interaktion auf die Zuschauerrinnen und Zuschauer im Internet überspringt. Wir erwarten etwa 1.000 Zuhörer und haben vier verschiedene Stränge, in die man sich einwählen kann. Ein großer Vorteil ist es, dass viele Präsentationen auch hinterher noch „on demand“ zur Verfügung stehen werden. So kann man parallele Sitzung auch im Nachhinein noch anschauen.

Wir bedanken uns herzlich für das Interview!

Alle Informationen und das wissenschaftliche Programm mit Vorträgen, Sitzungen, Workshops und umfangreichem Industrieprogramm sind auf der Kongress-Homepage http://www.ado-kongress.de abrufbar. Pressevertreterinnen sind sehr herzlich zum Deutschen Hautkrebskongress eingeladen! Wir unterstützen Sie gern mit der Vermittlung von Interviewpartnerninnen. Akkreditierungen bitte über die Homepage oder direkt über den Pressekontakt.

Pressekontakt:
Kerstin Aldenhoff
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH
Tel. +49 172 3516916
presse@conventus.de
http://www.ado-kongress.de

Hintergrund:

Hautkrebs ist trotz der immensen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre immer noch die häufigste Krebserkrankung mit der größten Steigerungsrate. Dafür, dass sich die Zahl der Neuerkrankungen in den letzten zehn Jahren in Deutschland auf jährlich rund 240.000 verdoppelt hat, werden UV-bedingte Hautschäden aufgrund intensiver Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend mitverantwortlich gemacht. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom (Weißer Hautkrebs) mit jährlich rund 140.000 Fällen, gefolgt vom Plattenepithelkarzinom mit rund 70.000 Neuerkrankungen und dem malignen Melanom (Schwarzer Hautkrebs) mit rund 28.000 Fällen.

Die ADO (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft) organisiert Fortbildungsmaßnahmen, Forschungsprojekte und klinische Studien, um die Qualität der dermato- onkologischen Patientenversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verbessern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. In der Deutschen Krebsgesellschaft erarbeitet die ADO diagnostische und therapeutische Leitlinien zum malignen Melanom, Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom, Kaposi-Sarkom und zu kutanen Lymphomen.

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