Leitlinien in der Medizin – Eine wichtige Orientierung für Ärzt:innen und Patient:innen

Autor:innen: Prof. Thomas Eigentler, Dr. Theresa Steeb, Dr. Christiane Weber

In der Krebsmedizin wird häufig mit Leitlinien gearbeitet. Sie unterstützen Ärzt:innen z.B. bei der gemeinsamen Entscheidung über eine Therapie mit der Patientin/dem Patienten. Leitlinien geben auch Empfehlungen dazu welche Untersuchung wann gemacht werden soll. Leitlinien sind also wichtig in der Onkologie. Warum ist das so? Wofür sind Leitlinien gemacht und wofür nicht?

Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte Aussagen bzw. Empfehlungen, die Mediziner:innen, Angehörigen der Gesundheitsberufe und Patient:innen helfen sollen, Entscheidungen über eine angemessene Gesundheitsversorgung in bestimmten klinischen Situationen zu treffen. Im Gegensatz zu Richtlinien sind sie nicht rechtlich bindend und müssen an den Einzelfall angepasst werden. Eine Abweichung muss jedoch begründet werden. In einigen Fällen berücksichtigen sie auch wirtschaftliche Aspekte der Behandlung.

Leitlinien sind wissenschaftlich fundierte, praxisorientierte Handlungsempfehlungen. Ihr Hauptziel ist die Darstellung des aktuellen Standes der Wissenschaft („State of the Art“). Leitlinien unterliegen im Idealfall einem systematischen (strukturierten) und transparenten Entwicklungsprozess. Das bedeutet, dass die Entwicklung einer Leitlinie nach einem standardisierten, etablierten Prozess (Methodik) abläuft. An diesem Entwicklungsprozess sind auch Patientenvertreter:innen beteiligt.

Medizinische Leitlinien werden in erster Linie für Ärzt:innen erstellt. Es gibt aber auch Leitlinien mit Informationen für Patient:innen, die sogenannten Patientenleitlinien. Diese werden auf Grundlage der medizinischen Leitlinie in eine verständliche, patient:innenfreundliche Version überführt. In der interdisziplinären Versorgung (Alten-, Kranken-, Kinderkrankenpflege) gibt es außerdem einige Expertenstandards, die sich auf die Leitlinien beziehen.

Nach der AWMF-Klassifikation werden Leitlinien in vier Kategorien entwickelt:

  • S1: Die Leitlinie wurde von einer Expertengruppe im informellen Konsens entwickelt (niedrigste Stufe)
  • S2k: Es wurde ein formeller Konsens erzielt.
  • S2e: Es hat eine systematische Evidenzrecherche stattgefunden.
  • S3: Die Leitlinie wurde allen Elementen einer systematischen Entwicklung unterzogen (Logik, Entscheidungs- und Ergebnisanalyse, Bewertung der klinischen Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung).

Die methodische Qualität einer S3-Leitlinie ist dementsprechend höher als die einer S2- oder S1-Leitlinie.

Eine konsensbasierte Leitlinie entsteht durch einen Konsens (= Übereinstimmung in der Beurteilung) von Expert:innen aus verschiedenen Fachgruppen zu einem bestimmten Thema. Der Konsens wird durch ein festgelegtes Verfahren erreicht, das für alle transparent gemacht wird. Er basiert auf systematischer Forschung und der Analyse wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der klinischen Praxis (Klinische Studien) und deren Einordnung in sogenannte „Evidenzklassen“.

Definition Evidenzklassen:
Mit Hilfe von Evidenzklassen erfasst man in der Medizin die wissenschaftliche Aussagefähigkeit klinischer Studien. Man unterschiedet (nach den Empfehlungen des AHCPR) die Evidenzklassen Ia bis IV. Je höher die Evidenzklasse einer Studie, desto breiter ist ihre wissenschaftliche Basis.

In Deutschland gibt es eine zentrale Stelle, an der alle medizinischen Leitlinien gesammelt werden, die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF). Diese Fachgesellschaft unterstützt darüber hinaus auch die EntwicklerInnen von Leitlinien. Bei Leitlinien, die sich mit Krebs beschäftigen, unterstützt darüber hinaus auch die Deutsche Krebsgesellschaft das Leitlinienteam bei der Entwicklung.

In der Dermatoonkologie und im Verantwortungsbereich der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) gibt es aktuell 10 Leitlinien. Sie sind hier aufgeführt mit der Kennzeichnung, in welche der oben genannten Kategorien diese Leitlinie fällt:

  • S3 Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms
  • S3 Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut
  • S2k Kutane Lymphome
  • S2k Basalzellkarzinom der Haut
  • S2k Merkelzellkarzinom (MCC, kutanes neuroendokrines Karzinom)
  • S1 Kaposi-Sarkom
  • S1 Dermatofibrosarkoma Protuberans (DFSP) der Haut
  • S1 Kutane Angiosarkome
  • S1 Extrakorporale Photopherese (ECP)
  • S1 Atypisches Fibroxanthom (AFX) und pleomorphes dermales Sarkom (PDS)

Außerdem ist die S3 Leitlinie Prävention von Hautkrebs verfügbar, die von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) federführend erstellt wird.

Patientenleitlinien gibt es für die S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ sowie „Prävention von Hautkrebs“. In Kürze erscheint die Patientenleitlinie zur S3-Leitlinie „Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“.

Auf der Webseite der Deutschen Krebsgesellschaft findet man alle Leitlinien und Patientenleitlinien, die derzeit veröffentlicht sind, auch zu anderen Tumorarten, Psycho-Onkologie, Komplementärmedizin oder Supportivtherapien.

Verweise zu den Leitlinien finden Sie hier:
Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO): https://www.ado-homepage.de/komitees-leitlinien/leitlinien.html
Deutsche Krebsgesellschaft (DKG): https://www.krebsgesellschaft.de/deutsche-krebsgesellschaft/leitlinien.html
AWMF: https://www.awmf.org/awmf-online-das-portal-der-wissenschaftlichen-medizin/awmf-aktuell.html

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Patientenleitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms

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